LIED DES GEFANGENEN
19. Februar 1914
Vöglein kommst du an mein Fenster
Mich zu trösten durch dein Lied
Komm und setz dich an mein Gitter
Das mich von der Freiheit schied.
Willst du nicht von dannen eilen
Willst du nicht bei mir verweilen
Hier wo ich gefangen bin?
Auch ich hab ein trautes Nestchen
Weit von hier doch weich und warm
Wo mein süßes Weibchen harret
Mit der kleinen Kinderschar.
Traurig fragt der kleine Mund
Wo ist unser Vater hin
Und die Mutter sagt dann weinend
Dass ich hier gefangen bin.
Liebes Vöglein laß dich bitten
Flieg hinüber in das Tal
Klopfe leise an das Fenster
Grüße sie viel tausendmal.
Linder ihre langen Qualen
Bringe ihr die Botschaft hin
Daß ich sie im Herzen trage
Hier wo ich gefangen bin.
Leitmeritz 19. Februar 1914
Gustav Scheufler